Auf der Startseite schrieb ich, dass es auf meiner Homepage nicht um Grundsatzdiskussionen und Streitfragen gehen soll. Gemeint sind die nicht enden wollenden, hitzigen Diskussionen darüber, was die Bibel über Homosexualität sagt (oder auch nicht). In der Regel endet der Disput in einer unschönen Schlammschlacht, derer wir uns als Christen eigentlich schämen sollten. Und da ich ein friedliebender Mensch bin und es allen recht machen möchte, sollte ich diesen Beitrag eigentlich gar nicht schreiben.
Ja, ich gebe zu: ich bin ein Feigling. Ich habe Angst vor diesen Diskussionen, weil meine theologischen Kenntnisse viel zu bescheiden sind, um darin irgendwie einen ernstzunehmenden Eindruck zu hinterlassen. Wenn ich dann aber miterlebe, wie Betroffene und Angehörige um Antworten ringen und sich quälen, dann stehe ich doch in der Versuchung, ihnen meine Standpunkte darzulegen. Denn es ist ja nicht so, dass ich keine Meinung hätte. Ich selbst habe mich ja auch durch diese Fragen durchgequält. Auf die eine oder andere Frage würde ich so gerne eine Antwort geben; eine Antwort, die mir geholfen hat, mit der ich leben kann. Aber es sind lediglich meine persönlichen Antworten. Und die muss jeder selbst finden. Und zwar für sich, nicht für andere.
Man mag mir vorwerfen, dass ich es mir mit dieser Haltung zu einfach mache. Man muss doch Stellung beziehen und Rückgrat zeigen, sonst wird einem Beliebigkeit vorgeworfen. Nein, ich denke inzwischen, dass es sich gerade diejenigen zu einfach machen, die auf alles eine Antwort haben und mit diesen vermeintlichen Antworten die Welt in Richtig und Falsch unterteilen und sich keiner Reflexion (mehr) unterziehen.
Keine Antworten zu haben dagegen ist viel schwerer auszuhalten. Zuzugeben, dass man etwas nicht weiß, kann ganz schön demütigend sein. Das haben wir in der Schulzeit zu Genüge erlebt. Aber wie gut, dass Gottes Maßstab anders ist als der unserer Lehrer, denn wir lesen in 1. Petrus 5,5: „Den Demütigen gibt Gott Gnade“. Nein, wir müssen nicht immer alles wissen! Engen wir Gott nicht viel zu sehr ein, wenn wir auf alle Fragen eine Antwort haben? Nehmen wir ihm damit nicht die Möglichkeit, doch ganz anders zu sein als es unsere Beschränktheit zulässt? Bilden wir uns allen Ernstes ein, Gott zu verstehen, der doch in seiner Größe unfassbar ist? Ich habe den Eindruck, dass es bei diesen ganzen Grundsatzdiskussionen gar nicht so sehr um die Frage geht, wie Gott über Homosexualität denkt, sondern viel mehr um unser Gottesverständnis und den Stellenwert der Bibel. Wir meinen, Gott verteidigen zu müssen und nageln den, der sich uns durch die Schöpfung, durch Christus und die Bibel in unserer Dimension offenbart, auf Dogmen fest. Vielleicht ist das auch eine Art der Kreuzigung…
A propos: Jesus Christus – was würde er denn in dieser Frage antworten? Darüber wissen wir nichts. Aber als er auf der Erde lebte, wurde über andere Fragen hitzig diskutiert. Zum Beispiel über die Sabbatfrage. Und da wird er doch tatsächlich mit seinen Jüngern dabei erwischt, dass sie am Sabbat Ähren sammeln, weil sie Hunger haben. Die Pharisäer als Hüter über Gottes Gebote stellen ihn gleich zur Rede. Das ist ihre Pflicht, denn sie müssen ja dafür sorgen, dass Gottes Ordnungen von den anderen eingehalten werden. Doch Jesus legt einen neuen Maßstab an. Nein, eigentlich keinen neuen, sondern einen ganz alten, der nur leider im frommen Eifer in Vergessenheit geraten ist. „Wenn ihr begriffen hättet, was das heißt: ›Barmherzigkeit will ich und nicht Opfer‹, dann hättet ihr nicht Unschuldige verurteilt.“ (Matthäus 12,7) Jesus zeigt uns, dass er zuerst den Menschen mit seinem Hunger (nach was auch immer) sieht. Alles andere steht an zweiter Stelle. Möglicherweise ist genau das die Antwort auf die Frage, wie Gott über Homosexualität denkt.