Höhepunkt des Glücks ist es, wenn der Mensch bereit ist, das zu sein, was er ist.

Erasmus von Rotterdam (1469 – 1536), holländischer Theologe, Philologe und Humanist

Ungefähr 500 Jahre alt ist dieses Zitat, aber gerade in Bezug auf die beiden letzten Beiträge topaktuell! Eine treffendere Zusammenfassung gibt es wohl nicht…

Sowohl bei homosexuell veranlagten Personen als auch bei den dazugehörigen Hetero-Partnern, die mehrheitlich unwissend die Beziehung eingegangen sind, geht es im (gemeinsamen) Outing-Prozess im Grunde darum, herauszufinden, WER man ist und wie dieses Ich gelebt werden will.

Aber halt! Erasmus von Rotterdam schreibt gar nicht vom WER, sondern vom WAS. Und das ist meines Erachtens keine Spitzfindigkeit, sondern ein wesentlicher Schlüssel. In der Frage „WER bin ich?“ geht es vor allem um meinen Status in der Interaktion mit meinem Umfeld: das Ansehen, das ich mir erarbeitet habe; die Rolle, die ich erfülle; meine Leistung. Also darum, dass ich WER bin. Es geht um meine Person ganz im Sinne seiner Wortherkunft. Befragt man den Duden danach, so kann man lesen, dass das lateinische Wort „persona“ Maske bedeutet. Wie ich als Person wahrgenommen werde, hängt stark von der Rolle ab, die ich spiele und hinter der ich mich auch manchmal allzu gerne verstecke.

Was aber hinter der Maske steckt, das ist vielleicht das, was Erasmus mit dem WAS meint: der eigentliche Kern meines Seins; mein SELBST; meine unveränderlichen Merkmale, sowohl körperlich als auch wesensmäßig. Das, was von mir übrig bleibt, wenn ich keine Rolle mehr im Theater spiele. „Was bin ich?“ ist eine zutiefst existentielle Frage. Es ist die Frage nach dem Sinn und der Berechtigung meines Daseins und sucht die Antwort im Absoluten, Göttlichen.

Ist die Frage „Was bin ich?“ geklärt, dann spielt die Frage „Wer bin ich?“ nur noch eine untergeordnete Rolle. Bestenfalls steht das WER in völliger Harmonie mit dem WAS. Und das ist wahrlich als Höhepunkt des Glücks anzusehen.

Wenn das passiert, dann brechen Homosexuelle aus ihren (selbst) auferlegten Rollen aus und sagen aus tiefster Überzeugung „ich bin schwul/lesbisch, und das ist gut so“. Und dann überdenken Partner/innen ihre vielleicht perfekt gespielten Rollen und tauschen sie aus gegen ein authentisches Leben. Auch wenn in diesem Moment eine vermeintlich heile Welt auseinander brechen kann, führt dieser Weg doch letztendlich zu Echtheit, Heilung, Würde und Glück.